Diakoninnen – Zugang zu Macht und Mitbestimmung?

Im Katholischen Sonntagsblatt Nr. 28 vom 14 Juli 2019 erläutert Bischof Gebhard Fürst, wie weit Frauen schon bis hin in höchste diözesane Gremien Mitverantwortung übernehmen. Diese Aufzählung finde ich beachtlich.

Dieser Beschreibung möchte ich mit Blick auf die Forderung nach der Zugangsmöglichkeit zum Diakonenamt für Frauen nachfolgendes zum Mitbedenken geben. Diese Forderung wird nämlich auch mit den Begründungen geführt, dass Frauen erstens auch Zugang zu den Ämtern und damit zu mehr Mitbestimmung und Machtteilhabe erhalten; und zweitens dadurch der Missbrauch im Amt eingedämmt würde.

Zu zweitem: ich habe sowohl in meinem Zivilberuf als auch in den Strukturen unserer Kirche erlebt, wie auch Frauen ihre (Leitungs-) Macht missbrauchen (auch gegenüber Schutzbefohlenen).

Um also den Missbrauch durch Amt und Macht zu bekämpfen braucht es mehr als nur den Zugang dazu auch für Frauen zu öffnen.

Zu erstem: Wenn Frauen sich durch den Zugang zum Diakonenamt mehr Machtteilhabe und Mitsprache erhoffen, dann könnten sie am Ende enttäuscht werden. Denn die ständigen Diakone haben alles andere als Macht und Mitspracherecht in unserer Kirche. Ständige Diakone sind meist Diakone im Zivilberuf, daher nehmen sie an vielen Gremien – ob auf Gemeindeebene oder bis hin auf Diözesanebene – nicht teil, weil sie nicht dazu gehören, oder auch aufgrund ihres Zivilberufes dazu gar eine Zeit haben. In dem Entscheidungsgremium, dem sie regulär angehören und auch am ehesten teilnehmen, nämlich dem KGR, haben sie kein Stimmrecht. In der Liturgie werden den Diakonen ihr rechtmäßiger Platz und ihre vorrangigen Aufgaben immer wieder streitig gemacht, sowohl von manchen Priestern, von anderen Pastoralen Berufen als auch von ehrenamtlichen Laiendiensten. Oft ziehen sie um des lieben Friedens Willen den „Kürzeren“.

Gerade der ständige Diakonat ist ein Amt, welches keine Macht in weltlichem Sinne hat sondern im Gegenteil mehr als alle anderen auf andere an- und verwiesen ist und gerade deswegen große Demut, Bereitschaft zum Dienen und Mut zur Botenschaft braucht. Je länger ich nun Diakon bin, umso mehr bin ich dankbar dafür, dass wir Diakone eben keine Macht und kein Stimmrecht in irgendwelchen Gremien haben. Wir werden dann gehört, wir haben dann Einfluss, wenn wir wahr- und glaubhaft Zeugnis vom Evangelium bzw. unseres Glaubens durch Wort und Tat geben.

Für die Forderung des Zuganges zum Diakonenamt für Frauen bräuchte es also aus meiner Sicht andere Begründungen wie die der vermeintlichen Möglichkeit zur amtlichen Teilhabe an Macht und Mitbestimmung.

PS: diesen Text schickte ich als Leserbrief an das Katholische Sonntagsblatt, mit der Unterschrift auch eines Mitbruders. Der Text ist aber zu lang und hätte wesentlich gekürzt und damit im Tonfall verhärtet werden müssen. Daher haben wir den Leserbrief zurückgezogen. Wir hatten stattdessen einen Artikel als ein Interview vorgeschlagen, diese Idee wurde leider abgelehnt.

Ausgekratzte Augen - zugeklebte Münder

In einem Urlaub auf Kreta besuchte ich das Kloster Arkadi. Dort sprengten sich am 9. November im Jahr 1866 die letzten christlichen Kreter kurz vor der Überwältigung durch die Ottomanen selbst in die Luft. Mönche, alte Männer, Frauen, Mütter mit ihren Kindern. Die Ehemänner und Väter waren schon alle gefallen. Lieber wollten sie wohl in Freiheit sterben als in türkischen Harems zu landen. Ausgestellt waren dort auch Ikonen, deren Augen wurden von den Ottomanen „ausgekratzt“.

Mir kommt ein Gedanke: ausgekratzte Augen von Ikonen auf Kreta - von Maria 2.0 zugeklebte Münder von Ikonen in Deutschland. Hat das was miteinander zu tun? Etwas verbindendes oder etwas konträres?

Maria mit Jesus Kloster ArkadiJPG

Vater unser – oder: wie beten?

„Und führe uns nicht in Versuchung“. Diese Bitte wird ja immer wieder diskutiert. Die Frage ist dann: „Wie kann Gott uns denn in Versuchung führen wollen? Gott kann doch sowas nicht ernsthaft tun wollen.“

So wird also an der Übersetzung dieses Vater unser herum gebastelt um zu versuchen, diese Bitte so zu entschärfen, dass sie nicht mehr Gott unterstellt, er würde so etwas tun. Greifen aber nicht all diese Versuche daneben? Spüren wir nicht, dass das alles „Notlösungen“, faule Kompromisse sind?

Das Kernproblem ist doch vielleicht dieses: was bedeutet für uns das Gebet? Was ist Beten?

Wenn wir mit der Haltung beten, dass wir Einfluss auf Gott ausüben müssen, dann lösen wir obige Frage nicht auf.

Braucht denn Gott wirklich unser Gebet? Weis er nicht schon vor uns, was für uns das Beste ist? Ich denke, er weis es! Und er will auch das Beste für uns.

Ist dann also Beten sogar komplett – egal mit welchen Worten – schon überflüssig?

Eben nicht! Wir sagen durch unsere Bitten Ja zur guten Absicht Gottes, erst dann, wenn wir einwilligen, kann er handeln.
Wir ermahnen durch unsere Bitten an Gott eigentlich uns selbst!
Und wir gestehen unsere Bedürftigkeit, unsere Schwäche und unsere Sündhaftigkeit ein.

Beispiel:
Geheiligt werde dein Name:
Nicht von irgendjemand, nicht von der Welt, von den Heiden oder auch nicht von den Engeln sondern von mir!

Dein Reich komme:
Nicht Aufforderung an Gott sondern Bereitschaftserklärung, das Kommen des Reiches Gottes anzunehmen, zuzulassen.

Dein Wille geschehe:
Und eben nicht meiner!

Wie im Himmel so auf Erden:
Ja, ich bin einverstanden, dass Gott, der die Freiheit der Welt vor ihm selber respektiert, sich mir in seinen Taten in dieser Welt zeigt. Ich gebe meine Freiheit vor Gott auf - für das Reich Gottes!

Unser täglich Brot gib uns heute:
Bei allem menschlichen Vermögen, sein Leben selbst zu gestalten und sich selbst zu ernähren, erkenne und akzeptiere ich, dass ich doch auch begrenzt und abhängig bin von Gott.
Und wenn ich schon von Gott das tägliche Brot erbitte, dann muss doch auch ich sorge dafür tragen, dass ich denen, die von mir abhängig sind, aus meiner Hand ihr täglich Brot erhalten.

Und vergib uns unsere Schuld:
Ja ich gestehe, dass ich schuldig bin, dass ich der Vergebung bedarf und dass ich sie auch annehmen kann und will.

Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern:
Mir geschehe, wie ich es nicht verdiene, mir geschehe wie ich selbst anderen geschehen lasse. Ich kann, ich muss, ich will vergeben, weil auch mir vergeben ist.

Und führe uns nicht in Versuchung:
Ich weis, dass Gott die Macht hat, mich zu versuchen, ja mich sogar durch die Versuchung zu vernichten. Er wird es aber nicht tun - schon bevor ich darum bitte. Ich aber erkenne und anerkenne meine Versuchbarkeit. Ich erlaube Gott, dass er mich nicht versucht sondern das Gegenteil: ich lasse zu, dass er mich erlöst! Und genau so will und soll auch ich mich und andere nicht in Versuchung führen - sondern zum Heil.

Sondern erlöse uns von dem Bösen:
Hier drückt der Einschub des Zelebranten genau all das aus was sich oben verbirgt:
„Ja Herr, erlöse uns von allem Bösen und gib Frieden in unseren Tagen, komm uns zu Hilfe mit deinem Erbarmen ...“

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, Amen:
Ich sage umfassend Ja zu deinem Heilsplan, ich lasse ihn zu, ich lasse ihn in mein Leben.

Pflege ist mehr als nur ein Beruf – Mail an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

Von: Sittart, Harald
Gesendet: Dienstag, 29. Januar 2019 16:40
An: '
jens.spahn@bundestag.de'
Betreff: Pflege ist mehr als ein Beruf

Sehr geehrter Herr Spahn,

Ihre Initiative "Pflege ist mehr als ein Beruf" und der dazu gehörige Film (
https://www.youtube.com/watch?v=__k_ay1L2Ro) ist vielleicht wohl gemeint und doch höchst fragwürdig. Ist denn nur ein Beruf für sich etwas Minderwertiges? Gehört es nicht zu jedem Beruf, dass man ihn mit einer gewissen Überzeugung und Leidenschaft betreibt?

Ich verstehe schon, was Sie mit dieser Aussage bewirken wollten und interpretiere es mit einer Änderung so: "Pflege ist mehr als nur ein Job". Und dies ist für sich genommen sehr lobenswert. Und doch bleibt aber genau darin auch eine Perspektive stehen, die hochproblematisch ist.

Der Film zeigt ja, dass Pflegekräfte nicht die sind, als die sie durch die vielen negativen Schlagzeilen leider dargestellt werden. Pflegende sind oft Menschen, die mit viel Engagement ihren Beruf ausüben, die für ihren Beruf brennen - und dann auch ausbrennen. Und die junge Pflegerin in diesem Film ist auf dem besten Wege dahin! Ihr Engagement ist eben mehr als nur ein Job, aber eben so sehr, dass sie in ihrer kostbaren Freizeit, sogar an Heilig Abend nichts besseres zu tun hat, als in die Berge zu fahren um für einen ansonsten sichtlich wohlversorgten Bewohner einen Schneeball zu holen.

Wie lange wird sie mit diesem Engagement ihren Beruf noch ausüben?

Letztlich ist das hoch unprofessionell weil sie nicht auch nach sich schaut. Wenn wir solche Pflegekräfte wollen und brauchen, dann müssen diese alle unverheiratet und kinderlos bleiben. Wenn diese junge Pflegerin aber verheiratet sein sollte oder gar Kinder hat und trotzdem an heilig Abend lieber in die Berge fährt als bei ihrer Familie zu sein, dann ist sie und ihre Familie und letztlich auch der Mann mit der Sehnsucht nach Schnee verloren! Dann sind wir wieder bei der berühmt berüchtigten Diakonisse die allzeit bereit demütig ihren Dienst für Gott und den Nächsten erbringt und ihre eigenen Bedürfnisse ganz hinten anstellt.

Glauben Sie ernsthaft, dass dazu heute noch junge Menschen bereit sind? Ich hoffe sie sind es nicht, zu ihrem und der Bewohner/Patienten Wohl.

Der Film ist vielleicht gut gemeint, aber er benutzt letztlich genau die Ausbeutung, die die Pflege dahin gebracht hat, wo sie heute steht: Die Gutmütigkeit, Demut und Nächstenliebe der Pflegenden wird mit falscher Bewunderung für ihre Selbstlosigkeit und Opferbereitschaft benutzt um die Pflegenden auszubeuten und an den Abgrund zu drängen.

Dieser Film ist eigentlich eine schallende Ohrfeige für alle, die in der Pflege arbeiten. Das Schlimme: kaum jemand merkt's! Selbst viele der "geschlagenen" Pflegekräfte nicht, weil sie eben mit ihren hohen Erwartungen an sich selbst bei so einem Film noch ein schlechtes Gewissen bekommen und sich fragen, ob sie vielleicht zu wenig für ihre Patienten/Bewohner tun. Und das fatale Spiel geht deshalb immer so weiter.

Mal abgesehen davon: ist das wirklich das Problem in der Pflege, dass sich Bewohner/Patienten nach Schnee sehnen? Wie weltfremd, wie pflegefremd ist das denn!? Wie müssen doch junge Menschen, die nach so einem Film in diesen Beruf einsteigen wollen die bittere Erfahrung machen, dass Pflegende keine Zeit für Schneebälle haben, dass sie vielmehr kaum ausreichend Zeit haben, menschenwürdig all die "Bälle" zu beseitigen, die sie in den Inkontinenzmaterialien finden. Und dass sie diese Zeit auch nicht in ihrer wenigen und unsicheren Freizeit haben, weil sie da sehr bald nur noch erschöpft aufs Sofa oder ins Bett sinken.

Wenn man sich die Mühe macht, mal genauer und länger hin zu schauen, dann wird man sicher auf Begebenheiten stoßen, in denen Pflegekräfte tatsächlich heldenhafte, emotional berührende Leistungen schon bei ihrer alltäglichen Arbeit vollbringen. Zugegeben: das in einen Werbefilm ansprechend zu verpacken ist eine sehr große Herausforderung.

Ihr bisheriges Engagement, sehr geehrter Herr Spahn, schätze ich sehr. Kaum jemand hat sich zuvor so entschieden für eine Verbesserung in der Pflege eingesetzt. Aber leider sind wir immer noch weit, weit entfernt davon, dass sich der Pflegenotstand wirklich spürbar abwenden lässt. Und dazu braucht es eben einen scharfen, schmerzhaften Blick auf das Denken und die Strukturen in der Pflege und in unserer ganzen Gesellschaft und ein entsprechend mutiges Handeln. Ich wünsche Ihnen dazu viel Kraft und gute Ideen, gute Berater - und Geist von Oben!

Mit freundlichen Grüßen
Harald Sittart

Pflegedienstleitung

Diakonieverbund DORNAHOF & ERLACHER HÖHE e.V.
Soziale Heimstätte Erlach - Pflegeheim
Erlach 1
71577 Großerlach

Tel.: 07193/57-2410
Fax: 07193/57-2451
Mail:
harald.sittart@erlacher-hoehe.de
Internet:
www.erlacher-hoehe.de

Erlacher Höhe: Seit 125 Jahren aktiv für Menschen. Leben. Würde.

Artikel im Werkbrief 1/2019 der Stefanus-Gemeinschaft

Der Diakon - im Zivilberuf


Versuch einer Beschreibung

Dies ist tatsächlich ein Versuch einer Beschreibung. Zum einen, weil der Diakonat nach dem Apostelamt zwar das erste Amt der Kirche ist, aber trotzdem nach über zweitausend Jahren aufgrund seiner wechselvollen Geschichte sehr „jung“ geblieben und noch dabei ist, „erwachsen“ zu werden – also herauszufinden, was er ist um sich dann dahin zu entwickeln. Zum anderen, weil ich nicht als ausgewiesener Theologe, Kirchenlehrer oder Kirchengeschichtler mit dem entsprechenden Hintergrundwissen schreibe, sondern einfach aus dem heraus, was sich mir durch Ausbildung und Weihe, durch eigenes Erleben und Erfahren erschließt.

Von den ersten sieben Diakonen zu den ständigen Diakonen mit Zivilberuf

Es ist viel geschrieben über den Diakonat, von der Apostelgeschichte über die Konzilstexte bis zu Arbeiten heutiger Fachleute. Hier sei nur kurz auf die Historie verwiesen: die ersten sieben Diakone wurden schon bald von den Aposteln (Apg 6,1-7) durch Handauflegung zu ihrem Dienst geweiht. Sie sollten sich um die Witwen der Helenisten kümmern. Denn die Apostel konnten aufgrund ihrer wachsenden Gemeinden dieser Fürsorgepflicht nicht mehr ausreichend nachkommen. Wohl bekanntester Diakon ist einer dieser sieben, Stephanus, erster Märtyrer. Nachdem später auch das Priesteramt begründet wurde, geriet der Diakonat nur noch zu einer Durchgangsstufe auf dem Weg zur Priesterweihe. Mit dem II. Vatikanischen Konzil wurde der Diakonat wieder als eigenständiges Amt der Kirche gestärkt. Ganz bewusst sollten nun Männer mit Beruf und Familie zu Diakonen geweiht werden um durch sie als Kirche in der Welt präsent zu sein.

Vom Diakon mit Zivilberuf zum Diakon im Zivilberuf

Ursprünglich nannte man nach dem II. Vatikanischen Konzil die nicht hauptberuflich tätigen Diakone zur Unterscheidung Diakone
mit Zivilberuf – weil sie eben ihr täglich Brot mit einer zivilen Arbeit verdienten. Doch mit den wachsenden Erfahrungen dieses Amtes und dem wachsenden Selbstverständnis der Diakone wurde immer mehr von der Bezeichnung mit zum im gewechselt. Anfänglich noch zum Argwohn mancher Bischöfe und Priester. Die Sorge war und ist, dass die Diakone nicht mehr die Gemeinde als ihr Aufgabenfeld sehen. Aber das war ja auch gar nicht die Intention des II. Vatikanischen Konzils, im Gegenteil, man wollte gerade den Diakon draußen in der Welt. Er sollte dort leben und arbeiten, nicht um so sein Geld zu verdienen sondern um unter und mit den Menschen und ihren Lebenswirklichkeiten zu sein.

Bisher redete man auch vom Diakon als dem Diener, „dem, der durch den Staub geht“. Staub wurde gleichgesetzt mit den Armen. Der Diakon dient den Armen – im Staub. Neuere Forschungen (1) übersetzen aber den Begriff Diakon eher mit Boten. Boten müssen auch durch den Staub. Aber sie sind zuerst Boten und die Empfänger sind nicht unbedingt die klassischen Armen im Staub. Armut stellt sich heute nicht mehr nur plakativ im Bild des Bettlers am Straßenrand dar. Sie ist heute oft unsichtbar, trifft unterschiedlichste Menschen in unterschiedlichster Weise. Armut ist nicht nur materiell! Gerade darin liegt die Chance des Diakons der in der Welt lebt und arbeitet, er entdeckt oft besser versteckte Armut. Er ist dort, wo Menschen ihren Alltag mit allem Guten und auch allen Formen von „Armut“ leben müssen. Er ist, wo christlicher Glaube konkret gefordert, angefragt, gar angegriffen wird. In unserer zunehmend areligiösen westlichen Welt ist es neben dem Dienst für die Armen wieder zunehmend wichtigste Aufgabe eines Diakons Zeugnis zu geben für das Evangelium. Gerade wegen seines Zeugnisses ist Stephanus gesteinigt und somit als Heiliger bekannt geworden.

Diese Aufgabe und das Amt des Diakons ist aber heutzutage wieder
in Gefahr. Angesichts des Priestermangels überlegt man, ob ständige Diakone zu Priestern geweiht werden könnten (viri probati). Die Not ist verständlich. Aber zu welchem Preis? Zum anderen droht der Stand des Diakons als geweihtem Amtsträger an Bedeutung zu verlieren. Das Verständnis für das geweihte Amt sinkt. Mancher will z.B. die Stärkung der Laien und auch die Öffnung des Amtes bezgl. der Geschlechterfrage. Es wird immer mehr gefragt, ob es heute noch überhaupt das geweihte Amt, geschweige denn den Diakonat braucht.

Um dem zu begegnen, möchte ich in die Zeit des ersten Testamentes zurück schauen: dort waren die Leviten für den Dienst an den Heiligtümern, das Zelt und den Altar bestimmt. Die Kohanim waren Leviten, die im Zelt am Altar dienten, dort das Opfer dar brachten. Die anderen Leviten waren für alles Geschehen um das Heilige Zelt herum verantwortlich und bildeten so auch eine Brücke zwischen dem Israelitischen Volk und dem Geschehen am Altar. Es geht um zwei unterschiedliche Ausrichtungen. Beide Ausrichtungen gehen aber vom Opfer her aus, die eine zu Gott hin, die andere zu den Menschen hin. Beide immer verbunden mit dem Opfer. Im Christentum ist dann an die Stelle dieses Opfers ja Christus getreten! Der Priester ist in der Eucharistie zu Gott hin gerichtet. Er repräsentiert den Christus der das Opfer – sich selbst – darbringt. Der Diakon aber hat seinen Standpunkt ebenso in diesem Christus und wendet sich als dem dienenden Christus von dort den Menschen zu. Es braucht beide sakramentalen, geweihten Ämter: den Blick des Priesters nach „oben“ zu Gott und den Blick des Diakons nach „unten“ zu den Menschen. Der Dienst eines Diakons ist also einerseits ein anderer, ein Brücken- ein Botendienst, andererseits ein vom Stand her gleicher wie der des Priesters weil sakramental, weil von Christus aus. Was wäre die Kirche ohne den dienenden Christus?

Draußen in der Welt das zur Wirkung bringen, was im Zelt, in der Kirche seinen Ausgang hat. Dies kann der Diakon nur in Verbindung zum Heiligsten – Christus. Ein Diakon steht also einerseits als Geweihter am Altar, andererseits auch als Geweihter mitten unter den Menschen. Die Verbindung zu den Menschen soll davon leben, dass der Diakon das Heilswirken Gottes den Menschen erfahrbar macht.

Dass er also dort steht, wo die Menschen sind, ist sein Auftrag, sein Ort. Somit ist der Zivilberuf ein wesentlicher Ort, eine Möglichkeit um unter den Menschen zu sein, ein weiterer Ort ist die Familie, auch z.B. ein Verein. Ja überall, wo Menschen zusammen leben, kann der Ort des Diakons sein.

Unrein und Rein – Unheil und Heil

Nochmal ein Blick auf die Israeliten. Eine Sorge des Jüdischen Volkes war, sich nicht unrein zu machen. Denn oft bestand in der Unreinheit die Gefahr zu erkranken. Viele Reinheitsgebote hatten diesen einfachen Grund. Das Unreine verunreinigt das Reine. Jesus hat dies umgekehrt. Er hat seinen Ursprung in Gott, mit ihm gelangt das Göttliche in diese Welt. Die Reinheit Gottes wird nicht etwa beschmutzt, nein die Reinheit Gottes dreht den Spieß um, sie verdrängt die Unreinheit. Darum hat Jesus geheilt! ER hat damit die Unreinheit zurück gedrängt, ja besiegt. (2)

Warum ist dies wichtig im Blick auf den Diakonat? Der Diakon steht immer wieder in der Spannung, unter anderem durch seine Anbindung an Familie und Beruf nur ein „halber Geweihter“ zu sein. Das drückt sich schon darin aus, dass er keine ihm eigene Aufgabe hat, die also nicht entweder einerseits ein Priester oder andererseits ein Laie tun könnte. Der Diakon droht, sich entweder im Priesterlichen oder im Weltlichen aufzulösen oder von diesen verdrängt zu werden. Wenn wir aber den Vergleich mit Unrein und Rein betrachten, wenn wir dabei Jesu Wirken in den Blick nehmen, dann sehen wir, dass der Diakon eben nicht in der Welt oder auch im Zelt verloren gehen kann. Im Gegenteil, er reinigt, er heiligt die Welt und er erdet das Zelt. Er verankert den Himmel mit der Erde.

Meine Erfahrungen

Nach unserer Weihe hatten wir zur Berufseinführung Supervision. Eine Frage der Supervisorin ist mir bis heute geblieben: „Woran erkennen die Menschen, dass Sie Diakon sind? Wie wird das öffentlich, sichtbar?“.
Das ist der Unterschied zu den anderen Pastoralen Berufen und dem, was sie tun: dort steht immer ein Name, ein Plakat, ein Flyer, ein Programm etc. über allem. Alles ist in eine Struktur eingebunden. Diese Struktur wird heutzutage immer mehr zu einer Parallelstruktur in der Lebenswelt der Menschen. Wenn jemand in seiner Trauer Trost braucht, nimmt er sich geplant Zeit und geht an einem bestimmten Tag in eine Trauergruppe. Wenn jemand mit anderen über die Bibel und deren Bedeutung für sein Alltagsleben, seine Arbeit reden will, dann geht dieser ebenso geplant in eine Bibelteilengruppe. Wenn jemand zum Glauben und zu den Sakramenten hingeführt werden will, geht er in eine Katechese-Gruppe, zum Tauf-, Kommunion-, Firm- oder Ehevorbereitungskurs.

Als Diakon brauche ich diese Namen, Plakate, Flyer oder Programme nicht. Trauer und Trost findet während dem gemeinsamen Arbeiten und Leben statt. Reden über den Glauben findet „just in time“ am Arbeitsplatz in einer Pause oder aber auch z.B. in einer ethischen Fallbesprechung im Pflegeteam statt. Katechese kommt aus heiterem Himmel, wenn sich Kollegen über Kirchensteuer aufregen oder über ihre Sorgen mit ihren Kindern reden. Barmherzigkeit findet statt, wenn ich einem Mitarbeiter mit privaten Problemen am Arbeitsplatz Verständnis und solidarische Entlastung anbiete. Rettung aus oder Vermeidung von Armut findet statt, wenn ich als Pflegedienstleiter mich so für einen Mitarbeiter einsetze, dass trotz Bedenken seitens der Heimleitung sein Arbeitsvertrag verlängert und schließlich gar entfristet wird und er so seinen Beruf doch noch die wenigen Jahre bis zur Rente ausüben kann. Frieden stiften findet statt, wenn ich versuche, ein Team darin zu bestärken, einander auszuhalten und sogar Chancen im Anderen, vermeintlich schwächeren zu erkennen.
Und wenn es um die pflegerische Versorgung Offener Beine geht, kann dies sakramentale Dimensionen bekommen. Denn vielleicht erkennt der Patient in dem Tun, weil es ein Christ, ein Diakon kniend vor dem Patienten tut, nicht nur eine medizinisch-pflegerische Handlung sondern einen Dienst in der Stellvertretung Christi. Nie vergessen werde ich die wirklich tägliche Frage eines Bewohners, ob er in den Himmel komme – ich habe ihm dies genauso täglich zugesagt.

Eine für mich schlüsselhafte Erfahrung machte ich, als ich, kaum geweiht, die Ausbildung zum Altenpfleger begann. Ich saß in einer Klasse mit SchülerInnen unterschiedlichsten Alters und unterschiedlichster Herkunft. Neben mir saß ein ehemaliger evangelischer Diakon, noch Notar und zukünftig Altenpfleger. Er war nicht nur aufgrund seines Berufes als Notar ein Mensch, der alles etwas genauer und strenger sah. Eines Tages bemerkte verwundert eine junge Mitschülerin, dass ja gar nicht mein Nebensitzer sondern ich der katholische Diakon bin. Sie dachte bis dahin, mein Nebensitzer sei aufgrund seiner Strenge der katholische und ich aufgrund meiner lockeren Art der evangelische Diakon. Dieses Erlebnis wiederholt sich in ähnlicher Weise immer wieder und steht dafür, dass ich als Diakon zwar durch mein Kreuz an meiner Jacke oder gar mein Erzählen als katholischer Diakon erkennbar bin, aber durch mein Sein, durch meine Art des Umgangs und des Lebens viele immer wieder neu positiv überrasche. Und immer mehr erkenne ich, dass ich niemanden durch Bekehrungsversuche von meinem Glauben überzeugen kann, dass ich aber durch meine Art, durch mein Handeln vermitteln kann, dass ich von dem was ich glaube, glaubhaft überzeugt bin. Und dieses überzeugt Menschen – von mir. Dadurch können manche Vorurteile, Mauern, manche Hemmschwellen abgebaut werden, wird das Evangelium ganz alltäglich erfahrbar. In der Weiheliturgie spricht der Bischof zum neugeweihten Diakon. "Empfange das Evangelium Christi: Zu seiner Verkündigung bist Du bestellt. Was Du liest, ergreife im Glauben; was du glaubst, das verkünde, und was du verkündest, das erfülle mit Leben."

Zur Person
Harald Sittart, 53 Jahre alt, verheiratet, 5 Kinder. Gelernter Bauzeichner und Grafiker. Über 11 Jahre Selbständigkeit als Grafiker. Nebenberufliches Studium „Theologie im Fernkurs“ und Ausbildung zum Diakon. Weihe zum Diakon am 18.05.2002 in Untermarchtal. Seit 2002 Diakon im Zivilberuf in der Kirchengemeinde St.Maria, Murrhardt. 2002 bis 2005 Ausbildung zum Altenpfleger. Seit November 2005 Altenpfleger und seit Juni 2012 Pflegedienstleiter im Pflegeheim der Erlacher Höhe.

Literatur:

1) Anni Hentschel
Gemeinde, Ämter, Dienste
Perspektiven zur neutestamentlichen Ekklesiologie
(Biblisch-Theologische Studien, 136)
Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2013. 264 S. €39,00
ISBN 978-3-7887-2683-6

2) Klaus Berger
Wer war Jesus wirklich?
Quell Verlag Stuttgart 1995, 230 S.
ISBN 3-7918-1950-X

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Dieser Beitrag erschien im Werkbrief der Stefanus-Gemeinschaft:
Stefanus
Aktiv in Kirche und Welt
Werkbrief für tätige Christen in Kirche und Welt
ISSN 1862-2542
71. Jahrgang
Februar/März
1/2019
B 1119

Uf Schwäbisch

Dass mit dem II. Vatikanischen Konzil die Möglichkeit eingeführt wurde, die Liturgie in der jeweiligen Landessprache statt auf Latein zu feiern, war sicher ein großer Schritt und ein großer Gewinn. Aber muss es dann gleich wieder übertrieben werden in dem mancher nicht nur die Landessprache sondern gar einen Dialekt bemüht?

Ganz schräg finde ich es dann, wenn Priester meinen, volksnah zu sein, in dem sie auch noch in eigenen Worten in breitestem Schwäbisch das Hochgebet beten. Als Gläubiger ist man dann so sehr damit beschäftigt, sprachlich und inhaltlich zu verstehen, was da am Altar gesprochen wird, dass man innerlich dem eigentlichen Geschehen gar nicht mehr folgen kann.

Jetzt werden wieder viele Priester und sonstige Liturgen aufschreien, weil jemand es wagt, auf die Vorgaben zu verweisen, wird überhebliche konservative Romtreue vorwerfen.

Aber sind die vielen, die „ihre“ eigene Liturgie feiern, nicht mindestes genau so überheblich? Stellen sie nicht letztlich ihre eigene Sicht über die der vielen Anderen und sind darin genau so oder gar noch mehr „päpstlich“?

Der Priester, der so betet, vergisst, dass er für die ganze Kirche betet. Statt dessen betet er das, was er meint beten zu müssen um von den Gläubigen um ihn herum „toll“ gefunden zu werden. Er erreicht sogar das Gegenteil: der Gläubige muss versuchen, ihm zu folgen, den Faden nicht zu verlieren. In dem immer gleichen, allgemeinen Gebet aber, kann jeder Gläubige, weil eingeübt, noch seines mit hinein beten! Das ist wahre Liturgie!